Die internationale Sonderklasse


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Kiel 1900: Die ersten 16 Neubauten der Sonderklasse starten, um den Kaiserpreis zu gewinnen. Nach dem Vorbild der englischen 19 Fussklasse hatte der Kaiser eine neue und die erste internationale Rennklasse aus der Taufe gehoben. Die Bauvorschriften für diese Yachten setzten Limits beim Baupreis (zu nächst max. 5100 M, im Jahr 1912 5600 M, ab 1913 durften 6100 M nicht überberschritten werden), der Segelfläche (max. 51qm), Verdrängung (min. 1830 kg), Plankendicke (min. 16 mm) Sitzraumlänge (max. 2,50m) und Besatzung (3 Mann). Die Formel lautet schlicht und ergreifend:

WL + B + T = max. 9,75m


Die Mannschaft durfte nur aus drei "Herrenseglern" desjenigen Landes bestehen, in dem die Yacht gebaut wurde. Die Herren durften ihren Lebensunterhalt nicht durch "ihrer Hände Arbeit" verdienen, bezahlte Leute waren verboten. Ebenso waren Damen zu der Zeit bei offiziellen Regatten nicht nur in der Sonderklasse nicht zugelassen. Trotzdem veranstaltete der Berliner VsaW (Verein Seglerhaus am Wannsee) seit 1903 Regatten für Damen auf Sonderklassen. Allen Protesten zum Trotz fanden sie alljährlich auf dem Wannsee statt. Käthe Bruns, die Tochter bekannten Herrenseglers B. Arons war eifrige und erfolgreiche Teilnehmerin und ausserdem die erste deutsche renommierte Sportjournalistin. Sie schrieb bis in die 50iger Jahre (nur unterbrochen vom dritten Reich). Die Damenregatten wurden anfangs in den Jahrbüchern verschwiegen. Als sich 1911 auch Prinzessin Eitel Friedrich an solcher Damenwettfahrt beteiligte, krähte kaum noch ein Hahn danach. 1919 wurde dann schliesslich beim DSV durchgesetzt, dass Damen sowohl Eignerin als auch Führerin einer Yacht, zumindest der Sonderklasse sein durften, das brachte der Sonderklasse den Spitznamen "Amazonenklasse" ein. Die Konstruktionsvorschriften liessen den Bootsbauern den grösstmöglichen Spielraum. In den ersten Jahren entstanden zunächst noch ganz normale Schiffe, aber die Formen wurden im Kampf um den Kaiserpreis und im deutsch-amerikanischen Konkurrenzkampf immer extremer, wobei die Amerikaner besonders innovationsfreudig und auch erfolgreich waren. Die Schiffe wurden immer länger und immer flacher (manche auch platter und/oder sogar viereckig). Am Ende gab es Schiffe "Deutschen Typs", den "Amerikanischen Typ" und den ":Jugendstil". Max Oertz Zu den bekanntesten deutschen Yachtkonstrukteuren der Sonderklasse zählen Max Oertz, W. von Hacht, Paul Francke, Claus Engelbrecht, später Jaeckel und Naglo. Auch Curry (der erste Süddeutsche), Drewitz, Wustrau und Abeking & Rasmussen versuchten sich vor dem ersten Weltkrieg in dieser Klasse. Erstklassige Konstrukteure wie Herreshoff, Burgess und Alden gehören zu den Kreateuren der mehr als 40 mir bekannten amerikanischen Sonderklasseyachten. Bis 1914 wurden insgesamt um die zweihundert Schiffe auch in Spanien, Belgien und Frankreich gebaut. In den jeweiligen Ländern fanden auch Regatten statt. Die spektaklärsten races aber waren die deutsch-amerikanischen Wettkämpfe vor Marblehead und in Kiel. England, um dessentwillen die Sonderklasse eigentlich geschaffen wurden ist, hielt sich vornehm zurück. Der erste Weltkrieg brachte den Regattasport weitgehend zum Erliegen. Für eine lange Zeit geriet die Sonderklasse ins Abseits. Ihr Wirkungskreis verlagerte sich zunehmend vom Norden in den Süden. Momentan sind 32 Yachten bekannt. Ein regelrechtes Sonderklassennest befindet sich in Österreich am Attersee und am Wolfgangsee. Die klassisch-elegante Schönheit der Sonderklasse gepaart mit überragender Schnelligkeit macht sie bis heute zum Objekt der Begierde. Deshalb entstanden in den letzten zehn Jahren drei der amerikanischen Bibelot (F. Herreshoff, 1911), nachempfundene Neubauten:


Bibelot II und Fima


-1992 - Bibelot II (S 125) entsteht in Rockport, Maine,gezeichnet von Halsey Herreshoff, einem Enkel von Nat Herreshoff, dem Zauberer von Bristol. Ihr Heimatrevier ist der Starnberger See.

-1994 läuft Fima (S 126) ebenfalls in Maine vom Stapel, gezeichnet von Steve Barnes und gebaut von Todd French. Auch sie ist auf dem Starnberger See zu bewundern.

Rosenwind

-Jüngstes Sonderklassenkind ist Rosenwind. Mehr als zehn Jahre studierte Hannes Haitzinger, der Chef der gleichnahmigen Werft am Attersee, die Pläne der legendären Bibelot. Mit geringfügigen Modifikationen des Konstruktionsplanes wird die Yacht 1994 auf Kiel gelegt und 23:44 17.02.20111996 taucht die Rosenwind (S127) zum ersten mal ihren Kiel in den Attersee.



Kein Mensch hat sich träumen lassen, dass die Schiffe eine so lange Lebensdauer und so grosse Beliebtheit erreichen würden. Vor allem die österreichischen Segelfreunde haben mit Engagement und Leidenschaft dazu beigetragen, dass so viele Sonderklassen in tadellosem Zustand erhalten sind und erfolgreich an Regatten teilnehmen. Von 1948 bis 1962 waren Sonderklassen bei den von UYC Wg ausgetragenen Staatsmeisterschaften ohne Unterbrechung Sieger. Der Überblick soll in lockerer Folge durch Beiträge über Konstrukteure, Werften, Vereine etc. ergänzt werden. Über die Hamburger Konstrukteure Max Oertz und Willy von Hacht informiert man sich am besten im Yachtsportarchiv des Freundeskreises Klassische Yachten. Die Dokumentation "Max Oertz - Genie, Yachkonstrukteur,Aeronaut und Erfinder" von Klaus Kramer und sein Buch "Segeln für den Kaiser. Die internationae Sonderklasse" und das Kapitel "Max Oertz" in Dr. Kristin Lammertings Werk "Meteor - Die kaiserlichen Segelyachten" sind darüber hinaus sehr aufschlussreich.



Kramerbuch

Sonderklassen aus Zeuthen

Die Sommerfrische Zeuthen liegt samt gleichnamigem See südöstlich von Berlin. Hier baute CLAUS ENGELBRECHT seit 1890 Segel- und Motoryachten, die Weltruhm erlangten. Insgesamt hat er um die tausend Schiffe gebaut. Renommierte Yachtkonstrukteure wie der junge Max Oertz, Jaeckel und Francke wussten seine hervorragende Arbeit zu schätzen und ließen ihre Entwürfe auch bei Engelbrecht realisieren.

Ab 1900 enstehen auf der Engelbrecht-Werft auch Sonderklassen. Felix ist die erste, die hier für die Sonderklassenregatta in Kiel gebaut wird. Für die Kieler Woche 1901 entstehen BSC und Drauf. 1907 die Wittelsbach II S100, wieder für Kiel und auch für die für die amerikanisch-deutschen Sonderklassenregatten ebenda. Sie gewinnt den Samoa Pokal. 1910 Bambino III S42. Alle von Paul Francke konstruiert.
1910 Jugend I S12, diesmal von Jaeckel mit Wulstkiel und Balanceruder konstruiert, gewinnt den Samoa Pokal. Seehund III, S105, auch von Jaeckel entsteht ebenfalls 1910. 1911 Jugend II S41, Schwesterschiff vom Seehund III beide wie seit 1906 üblich, Ruder wieder am Kiel befestigt. 1911 Tante Laura S24 und Irrwisch II S40 beide von Francke.
Von der 1911er Baureihe hat leider nur die Jugend überlebt. Sie erfreut sich bester Gesundheit und feiert ihren 100. am Attersee.
Mitte 1911 zieht sich Engelbrecht zurück und verkauft seine Werften. Die Filiale in Niederlehme geht an den Bootsbauer Franz. Die am Zeuhener See kauft Fritz Naglo.

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Naglo übernimmt die ENGELBRECHT WERFT
Naglos Yachten erlangten ebenfalls Weltruhm. nachdem er sein Studium mit Praxis in Amerika und in Hamburg bei Max Oertz ergänzt hat. Er übernimmt die Werft samt Namen und setzt das Engelbrecht´sche Werk fort. Bei den amerikanisch-deutschen Sonderklassewettfahrten in Kiel 1911 war Naglo wie andere deutsche Yachtkonstrukteure von der glorreichen Bibelot angetan. In einem Brief schreibt er: "...Da hatte ich jene Schiffchen mir vom Begleit-Dampfer aus genau angesehen und auch im Yacht-Hafen des K.Y.C., war dann zur Übernahme der Engelbrecht-Werft in Zeuthen am 1. Juli 1911 zurück, zeichnete den Linien-Riss für YAWENA in der Nacht des 5. Juli und kam mit diesem Kahn zur Berliner -Herbst-Woche-1911 auf der Müggel heraus, wo selbst unser damaliger Segler-König Otto Protzen mit der Wannsee nicht mit kam...".
Mit einem Schlag gehört Naglo neben Max Oertz und Willy von Hacht zu den führenden deutschen Yachtkonstrukteuren. Zur nächsten Saison baut er für die kaiserliche Familie die Sonderklassen Jeck III und Elisabeth IV. Der Yawena gelingt es 1913 als Resi V den begehrten Samoapokal zu erringen, 1914 schafft es die Elisabeth.
Für B. Arons, der bislang bewährte second hand Sonderklassen favorisiert hatte, baut Naglo eine Lunula, die andere Sonderklasse ist Irrwisch IV. Für den Hamburger A. O`swald, der bis dahin nur bei v. Hacht und Oertz bauen liess, entsteht Sonderling II. Seine Königliche Hoheit Prinz MADIHOL von Siam (er ist der Vater des am längsten amtierenden Staatsoberhaupts der Welt, König BHUMIBOL von Thailand) wird der nächste Eigner von Sonderling II. Prinz MAHIDOL gibt SONDERLING den Namen SINGORA. Der Name bedeutet „Stadt der Löwen“, heute mit Songkla bezeichnet, eine der ältesten Städte im Süden Thailands, dem früheren Siam. Einst führte die SINGORA den Stander des Flensburger Segel-Club. Aus Tradition trägt im FSC bis heute ein 5,5er den Namen SINGORA.

Dem Reglement gemäß hätte er nur mit einer siamesischen Sonderklasse bei Sonderklasseregatten teilnehmen dürfen. Seine Ausnahme bestätigt die Regel.
1913 enstehen Jeck IV und Wittelsbach IX,



Blick in die Naglowerft 1913: kurz vor der Vollendung die Sonderklasse Wittelsbach IX mit der Baunummer 1060, (Naglo führt die Numerierung von Engelbrecht fort).
Die Werft in Zeuthen wird durch Naglos Erfolg allmählich zu klein. Trotz revolutiomärer Umtriebe meistert er 1918 den Umzug vom Osten in den Westen nach Spandau in Berlin. 1921 entsteht hier auch die Sonderklasse
Yawena II.
Nach dem zweiten Weltkrieg geht Fritz Naglo nach Süddeutschland an den Bodensee, wo er als Konstrukteur weiter arbeiten will. Naglos Werft in Berlin gibt es noch heute unter dem Namen "Marina Lanke Werft". Sie befindet sich in der Nähe des Akademischen Segler Vereins (Max Oertz war dort Mitglied, seit 1997 veranstaltet der ASV die Havel-Klassik).
Von den Naglo´schen Sonderklassen überlebten die Yawena II (S85), die Lilly (S67) und der Hagen (S72), alle leben in Österreich und sind bis heute aktiv. Der Hagen ist besonders erfolgreich . Bei den österreichischen Staatsmeisterschaften 1948 - 62 siegte er in Serie, nur einige Male unterbrochen von Jawenna, Cima und Chiavenna; und nach wie vor lehrt er seine Konkurrenten das Fürchten.
Und was ist in Zeuthen von der Sonderklase geblieben? Früher segelten auf dem Zeuthener See häufig Sonderklassen, deren Heimathafen meistens der Zeuthener Seglerverein war. Leider ist die Sonderklasse Tigra zur Zeit die einzige ihrer Art hier.
Heute steht auf dem Gelände der Engelbrecht/Naglo Werft eine prächtige Villa samt prunkvoller Inneneinrichtung. Vor dem zweiten Weltkrieg gehörte sie der Familie ISRAEL. Wie die Gemeinde Zeuthen in ihren Besitz kam, entzieht sich "Dank" Datenschutz der Öffentlichkeit.
Die Grabstätte von Claus Engelbrecht und die Engelbrecht´sche Stahlschiffswerft sind auch heute noch zu besichtigen.



Risse von Sonderklassen

Hier zeige ich eine Auswahl von Rissen, die in Klaus Kramers Buch über die Sonderklassen nicht zu finden sind.


Risse von MAX OERTZ



KRANICH I
Baujahr 1899, Gr.L. 9,58m; L.W.L. 7,09m; Gr.B. 1,93m; T. 1,30mwar die erste aller Sonderklassen. Der Bankier und ASV-ler Mendelsohn-Bartholdy war sein erster Eigner. Seine Gattin hat mit Kranich 1903 an der ersten bekannten Damenregatta teilgenommen. Später wurde er Vereinsboot des ASV und bekam den Namen GAUDEAMUS.





GLÜCKAUF I
1901; L: 9,63m, Lwl: 6,50m, B: 1,92; T. 1,30m S. 51qm
erster war Eigner Gustav Stinnes, einer der schwerreichen Schwerindustriellen (wie auch Krupp) aus dem Ruhrgebiet. Mitglied des VSaW, ASV und K.Y.C.



BENJAMIN

Heute heisst Benjamin Tigra. TIGRA. Ihr ist ein ausführliches Kapitel in meiner homepage gewidmet.
SATANA

1907, Gr.L. 10,30m; Gr.B. 1,97m; L.W.L. 6,28m; B.W.L. 1,87m; S. 51qm


Segelriss der ANGELA IV



ANGELA IV
1907 Gr.L. 10,30m; Gr.B. 1,97m; L.W.L. 6,22m; T. 1,56m; S. 51qm für den Kronprinzen Friedrich Wilhelm gebaut




ANGELA V
1912 Gr.L. 11,13m; Gr.B. 2,10m; L.W.L. 6,02m; T. 1,60m S. 51qm

ebenfalls von Max Oertz für den Kronprinzen gebaut. Nachdem der 1910 die Angela IV verkauft hatte, befürchtete man, dass für Friedrich Wilhelm der Segelsport passeé sein könnte. Aber mit seiner neuen ANGELA nahm er an den "Ostdeutschen Wochen" teil. Die Yacht ließ er im Osten zurück, wohl auch um die kleine, veraltete Flotte dort zu verjüngen. Während im Süden die Klasse sozusagen boomte, blieb der im Osten erwünschte Aufschwung in der Sonderklasse aus.
Die ANGELA V ist neben MARGARETE eine der letzten Sonderklassen, die Max Oertz gebaut hat. Beide Risse sind sich sehr ähnlich. Oertz hat die Yachten knapp einen Meter länger gebaut als bisher und sogar das Heck breiter gestaltet. Das zeigt, dass er sich doch dem Trend `länger und breiter!´ etwas angenähert hat. Von den amerikanischen Extrem-Formen hat Max Oertz aber immer die Finger gelassen.



RISSE von v. HACHT



KLABAUTERMANN

1907; Gr.L. 10,30m; Gr.B. 1,97m L.W.L. 6,28m; T. 1,50m; S. 51 qm







TILLY XIII

L: 11,30m; LWL; 6,02m; B: 2,18m; T; 1,55m

1910 von v. Hacht für die bewährte Herrenseglermannschaft R. Krogmann, Prinz Heinrich (Bruder des Kaisers) und C. Dollmann vom N.R.V. gezeichnet und gebaut.



SEGELRISS DER TILLY XIII





RISSE von PAUL FRANCKE






FELIX
L: 10,16m; Lwl: 6,50m B: 1,98m; T: 1,23m

Der FELIX entsteht 1900 für den Berliner Yacht Club bei Engelbrecht.









TANTE LAURA

1911, Lwl: 6,45m; B: 1,67m; T: 1,55m;
Tante Laura unterscheidet sich von den anderen Sonderklassen dieses Jahrgangs durch ihre extrem schmale Bauweise und einen relativ grossen Tiefgang. Francke hat sich für das freistehende Balanceruder entschieden,obwohl man seit 1905 auch in Deutschland dazu übergegangen war, das Ruder direkt am Kiel anzubauen. Auch die Form des Kiels und sein Wulst sind für diese Zeit ungewöhnlich.

Risse von amerikanischen Sonderklasse




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